Kati Witt wird 60: Die Eiskönigin zwischen Ost und West

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Kati Witt wird 60: Die Eiskönigin zwischen Ost und West

Am 3. Dezember 2025 feiert Kati Witt ihren 60. Geburtstag – ein Meilenstein, der nicht nur als persönlicher Höhepunkt gilt, sondern als kulturelles Ereignis. Zwei große deutsche Sender, ZDF und ARD, haben Dokumentationen produziert, die ihre Lebensgeschichte erstmals in ganzer Tiefe erzählen: Die ZDF-Doku "Terra X History: Katarina Witt – Eiskönigin zwischen Ost und West", die am 23. November 2025 um 23:45 Uhr ausgestrahlt wird, und die ARD-Serie "Being Katarina Witt", die ab 27. November 2025 in der Mediathek verfügbar ist. Beide Filme zeigen nicht nur die glitzernden Küren, sondern die dunklen Seiten einer Karriere, die zwischen Stasi-Überwachung, politischer Instrumentalisierung und medialer Vereinnahmung spielte.

Die Anfänge in Chemnitz: Eis, Eltern und ein halbes Jahr Quengeln

Kati Witt begann mit fünfeinhalb Jahren in Chemnitz (damals Karl-Marx-Stadt) mit dem Eiskunstlauf – nicht aus Begeisterung, sondern nach einem halben Jahr, in dem sie ständig um das Eis gebettelt hatte. Ihre Mutter, Käthe Witt, eine ehemalige Heimatvertriebene aus Hinterpommern, arbeitete als Krankengymnastin; ihr Vater, Manfred Witt, stammte aus Bessarabien und war Landwirt in Kleineichstädt. Sie sah täglich die Stars Gaby Seyfert und Jan Hoffmann trainieren – und wollte mitmachen. Die Trainerin Jutta Müller, eine Legende der DDR-Sportmaschine, formte sie zu einer Technik-Perfektionistin. Doch hinter den glatten Sprüngen und perfekten Pirouetten stand ein System, das jeden Schritt kontrollierte. Die Staatssicherheit protokollierte nicht nur ihre Trainingszeiten, sondern auch ihr Privatleben – inklusive ihres Sexlebens. "Sie war nicht nur eine Sportlerin, sie war ein Propagandainstrument", sagt eine ehemalige DDR-Sportfunktionärin in der ARD-Doku.

Calgary 1988: Der Kampf der Carmens und das Ende der DDR-Ära

Ihr größter Moment? Die Kür zur Musik aus Bizets Oper "Carmen" bei den Olympischen Spielen 1988 in Calgary. Es war nicht nur eine künstlerische Meisterleistung – es war ein politisches Ereignis. Ihre Konkurrentin Elaine Zayak lieferte genau dieselbe Kür. Der sogenannte "Battle of the Carmens" wurde zur Metapher für den Konflikt zwischen Ost und West. Witt gewann – und wurde zum "schönsten Gesicht des Sozialismus". Doch der Preis war hoch. Während sie in Kanada die Olympische Goldmedaille um den Hals trug, wusste sie: Die DDR, die sie geformt hatte, war am Ende. Sie drehte 1989 den Film "Carmen on Ice" in Sevilla – und genau in dieser Woche fiel die Mauer. "Ich war mitten in der Welt, während mein Heimatland auseinanderbrach", erinnert sie sich in der Dokumentation.

Nach der Wende: Re-Professionalisierung, Emmy und der Preis des Ruhms

Nach ihrem Rücktritt 1988 trat sie in der Revue "Holiday on Ice" auf – ein Schritt, den viele als Verrat an der Sportethik betrachteten. Doch 1993 wurde sie "reamateurisiert", um bei den Olympischen Spielen in Lillehammer antreten zu können. Die westdeutsche Presse war erbost: "Sie will nur noch Aufmerksamkeit", titelten einige. Doch Witt wusste: Ohne die Medien, ohne die Show, wäre sie verschwunden. Der Film "Carmen on Ice" brachte ihr 1990 den Emmy für "außerordentliche schauspielerische Leistung" – eine Seltenheit für einen Eiskunstläufer. Sie war die erste Frau aus der DDR, die international als Künstlerin, nicht nur als Athletin, anerkannt wurde. Die neue Kati Witt: Studio, Stiftung, Stimme

Die neue Kati Witt: Studio, Stiftung, Stimme

Nach Jahrzehnten im Rampenlicht fand sie 2019 in Potsdam eine neue Heimat: Ihr Fitness-Studio "Kurvenstar" wurde zum Ort der Befreiung – für sich selbst und für andere Frauen. "Ich will zeigen, dass Kraft nicht nur Muskeln macht, sondern Selbstbewusstsein", sagt sie. 2023 erhielt sie den Lifetime Award der Internationalen Eislaufunion. Sie sitzt im Stiftungsrat der Deutschen Sporthilfe und spricht offen über psychische Belastung im Leistungssport – ein Thema, das heute, Jahrzehnte nach ihrer Karriere, endlich ernst genommen wird.

Was bleibt: Ein Leben zwischen Eis und Erinnerung

Ihr 50. Geburtstag 2015 wurde mit dem Bildband "So viel Leben" gefeiert – ein Rückblick, der nicht nur die Titel, sondern die Tränen, die Angst und die Einsamkeit zeigte. Der Musiker Klaus-Dieter Henkler widmete ihr 1988 den Song "Katarina", der in "Ein Kessel Buntes" uraufgeführt wurde – ein Moment, der ihre Popularität in der DDR kanonisierte. Doch heute ist sie nicht mehr das Symbol, das man brauchte. Sie ist eine Frau, die überlebt hat – und spricht. Was die Dokumentationen zeigen, was die Presse nie erzählte

Was die Dokumentationen zeigen, was die Presse nie erzählte

"Being Katarina Witt" macht deutlich: Ihr Erfolg war kein Zufall. Er war das Ergebnis von Zwang, Disziplin, aber auch von einer ungeheuren inneren Stärke. Die Stasi überwachte sie, die Medien vereinnahmten sie, der Sport verlangte Opfer – und doch blieb sie sich treu. "Ich war nie nur eine Puppe", sagt sie in einem der emotionalsten Momente der ARD-Serie. "Ich habe immer gewusst, was ich will. Und ich habe es gemacht. Mit oder ohne Genehmigung."

Die Dokumentationen sind kein Heldenepos. Sie sind eine Warnung – und eine Ermutigung. Witts Geschichte zeigt, wie Sportkarrieren oft unter hohen persönlichen Opfern entstehen. Und sie zeigt, wie Frauen im Leistungssport lange ignoriert wurden – nicht nur in der DDR, sondern überall. Heute, wo Athletinnen wie Simone Biles über psychische Gesundheit sprechen, klingt Witts Erfahrung wie eine Vorahnung.

Frequently Asked Questions

Warum war Kati Witts Carmen-Kür so politisch?

Die Kür zur Musik von Bizets "Carmen" bei den Olympischen Spielen 1988 war mehr als eine künstlerische Leistung – sie war ein Symbol. Während Kati Witt aus der DDR kam, lief ihre Konkurrentin Elaine Zayak aus den USA. Beide nutzten dieselbe Musik, was die Medien als "Kampf der Systeme" interpretierten. Die DDR nutzte Witts Sieg als Propagandaerfolg, während der Westen sie als künstlerische Befreiung feierte. Die Kür wurde zur Metapher für den Kalten Krieg – auf Eis.

Wie hat die Stasi Kati Witt überwacht?

Die Stasi führte detaillierte Akten über Witt – nicht nur über ihre Trainingsleistungen, sondern auch über ihre Beziehungen, ihre Gespräche und sogar ihr Sexleben. Sie wurde von mehreren Inoffiziellen Mitarbeitern beobachtet, darunter auch Trainerkollegen. Die Kontrolle war systematisch: Wer mit wem sprach, wann sie nach Hause kam, ob sie sich mit Ausländern traf – alles wurde protokolliert. Sie war eine der am besten überwachten Sportlerinnen der DDR.

Warum wurde sie 1993 wieder "reamateurisiert"?

Nach der Wende war Witt als Showkünstlerin unterwegs und verdiente gut. Um an den Olympischen Spielen 1994 in Lillehammer teilzunehmen, musste sie ihren Profistatus aufgeben – also wieder "amateurisiert" werden. Dies war eine juristische Finte, um den alten olympischen Regeln zu entsprechen. Die westdeutsche Presse kritisierte sie dafür als opportunistisch – doch Witt wollte einfach noch einmal an den Spielen teilnehmen. Sie belegte den 11. Platz – und beendete ihre aktive Karriere.

Welche Bedeutung hat "Kurvenstar" heute?

Ihr Fitness-Studio "Kurvenstar" in Potsdam ist mehr als ein Trainingsort – es ist ein Statement. Witt will Frauen zeigen, dass Körper nicht perfekt sein müssen, um stark zu sein. Sie verbindet Eiskunstlauf-Techniken mit Krafttraining und Körperwahrnehmung. Viele Besucherinnen kommen nicht nur zum Trainieren, sondern, um mit ihr zu sprechen. Ihr Studio steht für eine neue Form von Leistungssport: ohne Druck, mit Respekt – und ohne Stasi.

Warum ist ihre Geschichte heute relevant?

Kati Witts Leben zeigt, wie Sportler – besonders Frauen – oft als Symbole missbraucht werden, ohne dass ihre persönlichen Belastungen gesehen werden. Heute diskutieren Athletinnen über Burnout, psychische Gesundheit und Medienmanipulation – Themen, die Witt schon in den 80er Jahren erlebte. Ihre Geschichte ist ein Leitfaden für eine gerechtere Sportkultur: mit Menschlichkeit statt Perfektion.

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